Chronik

Ein Pionier mit Hang zum Abenteuer

Was am Sonntag, den 9. November 1913 um 19.30 Uhr geschah, beschreibt die Chronik des Musik- und Gesangvereines Radkersburg ebenso eindrucks- wie stimmungsvoll: „Nach Erlöschen der bisherigen alten Wassergaslampen durchzog die Stadtkapelle mit klingendem Spiele die Straßen.“ Und nach einer „außerordent- lich wirkungsvollen Rede“ von Bürgermeister Oswald Edler
von Kodolitsch „blitzten von einer Sekunde auf die andere gleichzeitig mit der Kaiserhymne und dem Abfeuern von Böllern in der gesamten Stadt und im benachbarten Markte Oberradkersburg sämtliche neu installierten elektrischen Lichter auf“. Viel Prominenz Die erstmalige elektrische Beleuchtung des Rathausturms war, wie es hieß, weit in das Mur-Tal hinein zu sehen, der Lichtkegel verkündete eine neue Ära. In den sogenannten Vergnügungsräumen der Sparkasse Radkersburg wurde im Beisein von viel politischer Prominenz bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.
Ministerpräsident Karl Graf Stürgkh war ebenso zu Gast wie Landeshauptmann Edmund Graf Attems. Aber ohne einen mutigen Un- ternehmer mit Weitblick – den Mühlenbesitzer Eduard Trummer – hätten in Radkersburg die düsteren Gaslampen wohl noch für längere Zeit geflackert. Der junge Mann  mit zwölf Geschwistern war auf der „Walz“ bis nach Frankfurt in Deutschland gekommen und hatte von seinen entbehrungsreichen Wanderjahren einen großen Erfahrungsschatz und zahlreiche neue Ideen mitgebracht. So errichtete er auf dem von seinem Vater 1855 erworbenen „Prentlgut“ in Altneudörfl statt
der bisherigen Steinmühle eine sogenannte Walzmühle, die wesentlich feiner mahlen konnte, und er tauschte erstmals vor Ort Getreide gegen Mehl. Was wiederum das Geschäft belebte und die Kassa klingeln ließ. Kühnes Vorhaben Finanziell gut aufgestellt und voller Tatendrang, trat Eduard Trummer im Jahre 1911 an  die Stadtgemeinde mit dem kühnen Vorhaben heran, im Bereich der „Prentlmühle“ ein elektrisches Kraftwerk zu errichten. An die zwei Jahre verstrichen, ehe dann am 25. Jänner 1913 tatsächlich das „Städtische Elektrizitätswerk“ gegründet wurde, der Beschluss zur Elektrifizierung der Stadt
fiel schließlich am 28. April. Die Aufgaben waren klar verteilt: Trummers Prentl- Kraftwerk garantierte, zumindest für die Dauer von zehn Jahren elektrische Energie in Form von Drehstrom zu liefern, und die Stadt erklärte sich für das Verbundnetz zuständig, das die kostbare Elektrizität zu den Menschen bringen sollte. Um das alles umzusetzen, wurde am 13. Mai 1913 zwischen der Stadtgemeinde Radkersburg  und der A.E.G. Union Elektrizitätsgesellschaft in Wien der Bauvertrag für das zu errichtende Verbundnetz abgeschlossen. Die Bautrupps arbeiteten rasch und verlässlich, stellten viele Masten auf und spannten zahllose Meter Kabel.
Nur wenige Monate nach Arbeitsbeginn, am 26. Oktober um 2.30 Uhr, gab es einen ersten Testlauf, von dem die schlafende Stadt nichts mitbekam. Damit stand der feierlichen Premiere nichts mehr im Wege. Pferdewagen-Rennen Eduard Trummer war und blieb auch nach dem großen Augenblick eine schillernde Persönlichkeit mit Hang zum Abenteuer. So soll er einst jeden neuen Radkersburger Garnisonsoffizier zu einem Pferdewagen-Rennen von Bad Radkersburg nach Pettau herausgefordert haben. Seine Gegner hatten allerdings nie den Funken einer Chance gegen ihn.
Erinnerungen an einen großen Augenblick – das Einsetzen des Turbinenrades in der Prentlmühle.
Eduard Trummer, der Strompionier von Bad Radkersburg. Seine Prentlmühle lieferte viele Jahre lang der Stadt und ihrer Umgebung den so heiß begehrten elektrischen Strom.
Der Mühlenbesitzer Eduard Trummer wollte mehr als nur Mehl mahlen und ließ damit in Radkersburg das elektrische Licht aufleuchten.
Erinnerungen
Andreas Breuss, Urenkel  des Strompioniers. Der Biologe und Ökologe Andreas Breuss lebt heute dort, wo von seinem Urgroßvater vor nunmehr hundert Jahren der erste elektrische Strom für Radkersburg erzeugt wurde - nämlich auf dem Areal der von Eduard Trummer betriebenen Prentlmühle in Neudörfl bei Radkersburg. Das längst ausgetrocknete Bachbett des ehemaligen Mühlbaches erinnert heute noch an die Pionierzeit  der Stromerzeugung. Der historisch sehr interessierte Urenkel weiß viel über Eduard Trummers turbulentes Leben und seinen Aufstieg zum Kraftwerksbesitzer zu erzählen – siehe dazu auch unseren Bericht rechts. Seine persönlichen Erinnerungen reichen in jene Zeit zurück, als er noch mit Freunden im ehemaligen Schaltraum wunderbar „Raumschiff“ spielen konnte. Entsprechend bewegt hat ihn schließlich dann auch, als später die Witwe von Eduards Sohn in eben diesem so spannenden Gebäude Enten und Hühner unterbrachte.
Die Abenteuerlust hat Eduard Trummer offenbar auch seinem Nachwuchs vererbt. Rund ein Jahr vor Inbetriebnahme des E-Werks taten seine Söhne Othmar und Günther mit einer  Postkarte aus Hamburg ihre gemeinsame Auswanderung nach Argentinien kund. Die Brüder kehrten allerdings nach einiger Zeit wieder heim. Othmar Trummer, der sieben Jahre lang als Gaucho auf einer Finka in Südamerika tätig war, übernahm schließlich nach dem Tod des Vaters im Jahr 1921 das Prentlgut. Othmar Trummer verschwand im Jahr 1938 auf mysteriöse Weise. Er kehrte von einem seiner täglichen Spaziergänge in den Mur-Auen nicht mehr zurück.

Elektrizität zwischen Kriegen und Krisen

Anfangs lief mit der Stromversorgung alles ganz nach Plan. Doch zwei Weltkriege und viele Konflikte sorgten bald für schwere Zeiten.

Nach der E-Werks-Eröffnung im November 1913 dauerte es nicht lange, bis die Menschen in Radkersburg und Umgebung die Vorteile des elektrischen Stroms so richtig zu schätzen lernten. Kaum jemand hatte ihn zuvor gekannt, aber fast jeder wollte ihn plötzlich haben. Nicht zuletzt, weil alles so einfach war. Schließlich brauchte man nur einen Schalter oder Knopf zu betätigen, um in den Genuss vielerlei Vorzüge zu kommen. Bereits Wochen bevor die ersten elektrischen Lichter leuchten konnten, bestellte man begeistert Lampen, Ventilatoren, Elektro-Motoren und faszinierende „Luxusgüter“, wie etwa Bügeleisen. Nach der Eröffnung des E- Werks explodierte die Nachfrage nach den diversen elektrischen Wunderdingen förmlich. Wegen des so stark steigenden Bedarfs wurde in der Ziegelfabrik Kerschbach (Črešnjevci) eine kalorische Reserveanlage errichtet, die auch schon bald an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stieß. Sie musste daher Anfang 1917  mit einem Motor ausgerüstet werden, der es auf – für damalige Zeiten mächtige – 120 Pferdestärken brachte. 1918 produzierte das Kraftwerk Prentlhof schon stattliche 500.000 Kilowattstunden Strom und nützte dafür seine günstige Lage: Der fünf Kilometer lange Prentl-Kanal, ein Nebenarm der Mur, hatte ein beachtliches Gefälle von 2,2 Metern und konnte durch diese günstige Lage viel Kraft entfalten. Zündstoff Doch trotz der rasant wachsenden Zahl an Kunden kam es in dieser Zeit immer wieder zu Konflikten zwischen Kraftwerksinhaber Eduard Trummer und Gemeindevertretern. Den Zündstoff dafür lieferten vor allem die aus dem Ersten Weltkrieg resultierende Inflation und die damit verbundene wirtschaftliche Unsicherheit. Und schließlich sorgte 1919 nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie auch ein neuer Grenzverlauf für schmerzhafte Veränderungen. So kam damit etwa mit der Ziegelfabrik in Kerschbach (Črešnjevci) auch die wichtige Reserveanlage abhanden. 1,8 Milliarden Zunächst wollte man deshalb ein städtisches Kraftwerk an der Mur errichten, doch schon bald stellte sich das als viel zu teuer heraus. Dann gab‘s eine andere Lösung: Das gesamte E-Werk, inklusive einer neuen, mit Diesel betriebenen Reserveanlage übersiedelte in den südlichen Teil der ehemaligen Klosterkaserne, wo es auch heute noch seinen Standort hat. Die Errichtung des neuen E-Werks kostete die Stadtgemeinde, bedingt durch die Inflation, die gewaltige Summe von 1,8 Milliarden Kronen. Die Orte Laafeld, Dedenitz, Zelting und Goritz mussten damals aufgrund zu hoher Anschlusskosten auf Elektrizität verzichten. Strom war also noch eine Art Luxusgut und nicht allen Bewohnern zugänglich. Lediglich in Altneudörfl wurde das Stromnetz erweitert und in Oberlaafeld 1928 zur Gänze neu errichtet. Im selben Jahr machte der elektrische Strom dann auch am Radkersburger Bahnhof Station. Es ging also mancherorts bescheidene Freude um, der leider mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bald schwere Zeiten folgen sollten. Versorgungsengpässe und Stromabschaltungen gehörten zum Alltag. Konflikte Darüber hinaus flammten zwischen der Familie Trummer und der damaligen Stadtver- waltung auch immer wieder Konflikte auf – was letztlich dazu führte, dass 1939 die Steiermärkische Elektrizitätsgesellschaft (STEG) erstmals in Erscheinung trat und die Versorgung zu Spitzenzeiten garantierte. Womit die Reserveanlage nicht mehr notwendig war.
Und bald gab es weitere Veränderungen: Ab August 1941 blieb Else Trummer, Othmars Witwe, zwar formell Besitzerin des Werks, die STEG übernahm aber dessen Leitung und wurde damit zum Geschäftspartner der Stadtgemeinde. In weiterer Folge kamen auch Laafeld, Sicheldorf, Dedenitz, Goritz, Zelting, Pfarrsdorf, Hummersdorf und Pridahof ans Netz, doch die Schrecken des Krieges ließen das fast zur Nebensache werden. Am 18. September 1945 wurde nach furchtbaren Zeiten Licht zum Zeichen der Hoffnung in Radkersburg. Man hat die Straßenbeleuchtung wieder in Betrieb genommen.